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Verdämmt in alle Ewigkeit!

Liebe Leserinnen und Leser,

man mag der Regierung und ihren Mitgliedern ja vieles unterstellen, ganz gewiss aber nicht, dass sie ihre Leistungsfähigkeit mit Dopingmitteln pushen.

Dessen ungeachtet ist das Rückzugstempo, auf dem sich die Umfragewerte der schwarzgelben Bundesregierung befinden, ohne jede Frage rekordverdächtig. Ursache dürften die von den Bürgern empfundene BRDigung der Ehrlichkeit (vgl. meine Kolumne vom 07. Mai 2010) und der damit einhergehende Vertrauensverlust in die politische Führung sein, der zunehmend Klientelpolitik und eine beschönigende Darstellung der Wirklichkeit unterstellt werden.

Das jüngste Kind schwarzgelber Politik stammt aus dem Umweltministerium. Und es betrifft uns alle. An Unausgegorenheit ist es kaum noch zu übertreffen. Wollen Sie sich und Ihre Kinder davor schützen, sollten Sie das Heft des Handelns in die Hand nehmen und der Regierung in Erinnerung rufen, dass Sie als Bürger die ureigenste „Klientel“ ihrer Politik sind und nicht E.ON, RWE, Daimler, BMW, Volkswagen, BASF oder andere lobbystarke Unternehmen.
Auf BASF werden wir aus gutem Grunde später im Text aber noch zu sprechen kommen …

Sie können natürlich auch einfach nichts tun. Aber dann dürfen Sie sich im Nachhinein auch nicht über die Konsequenzen wundern.

Wenn Ihnen Ihre Altersvorsorge, ihr Eigentum und Ihre freie Zukunftsplanung etwas wert sind, sollten Sie sich überlegen, ob nicht auch Sie der Obrigkeit ein paar untertänigste Zeilen zukommen lassen.

Ob Sie selbst sich dem rechten oder linken politischen Lager zugehörig fühlen, der Mitte oder sonst allem oder nichts, ist dabei völlig unerheblich. Handlunsgbedarf hat jeder Betroffene, auch der praktizierende Nichtwähler oder der politisch Desinteressierte!

Ich für meinen Teil habe erstmals in meinem Leben einen Brief an ein Bundesministerium geschrieben, dessen Wortlaut ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Hier der Abdruck:


Axel Retz Schloss Göppmannsbühl
95469 Speichersdorf

Bundesumweltministerium
Herrn Dr. jur. Norbert Röttgen 16. September 2010

11055 Berlin

Ihr „Energiekonzept“ / Zwangssanierung von Altbauten

Sehr geehrter Herr Dr. Röttgen,

ich möchte Ihnen heute ein Kompliment aussprechen, das ich in der Tat noch keinem Volks-vertreter vor Ihnen gemacht habe:

Sie haben es wirklich geschafft, die in den letzten Jahren in der Bevölkerung geradezu rasant metastasierende Politikverdrossenheit vielerorts in unverhohlenen Missmut umschlagen zu lassen. Und jetzt es ist Ihnen sogar gelungen, diese Eskalation selbst bei mir in Gang zu setzen, was ich bis jetzt für völlig ausgeschlossen gehalten hatte. Chapeau!

Ihr Haus, das sich um ein sofort vehement CO2-wirksames Tempolimit auf deutschen Autobahnen und eine wirklich emissionsabhängige Besteuerung von Kraftfahrzeugen seit ehedem auf geradezu unanständige Art und Weise herum drückt (Lobbyarbeit?) und am Zustandekommen des skandalösen „Atomdeals“ durch Abwesenheit mitwirkte (Lobbyarbeit? und „Begehen durch Unterlassen“? – Ihnen als Jurist sagt das ja was) verfolgt wohl nun allen Ernstes die Idee, Eigentümer von Altbauten zur energetischen „Sanierung“ ihrer Häuser zu zwingen (Lobbyarbeit?) und Sie bei Nichtbefolgen Ihrer Vorgaben mit drastischen Strafsteuern zu belegen. Zur Sache:

Wir haben vor einem Jahr ein kleines, 1967 errichtetes Häuschen gekauft. Für 16.400 Euro wurden umgehend neue Holz-Alu-Fenster eingebaut, vor dem Winter werden eine Innendämmung des Bades und der Einbau einer neuen Haustüre erfolgen. 14.000 Euro. Und dann sobald möglich eine Isolierung des Flachdaches (ca. 10.000 Euro) und eine neue Heizung (20.000 Euro). Kleinere Posten wie das Dämmen der Kellerdecke, einen hydrostatischen Abgleich etc. lassen wir einmal ganz außen vor.

Und damit, sehr geehrter Herr Umweltminister – ich bin jetzt 56 Jahre alt – muss es gut sein. Wir wollen auch gar nicht in einer hermetisch von der Außenwelt abgekapselten, luft- und schalldichten Isolierzelle leben müssen. Und auch nicht in einem Land, dessen demokratisch gewählte Regierung seinen Bürgern derartigen Unfug direktionistisch aufoktroyieren zu können glaubt.

Vielleicht ziehen Sie auch einmal ins Kalkül, welche Umweltbelastung erstens die Produktion und zweitens die Entsorgung all der Dämm- und Zusatzstoffe bedeutet, mit denen Sie die Bürger zum Leben in Styroporbunkern zwingen wollen. Schon bei der (euphemistisch so bezeichneten) Umweltprämie für abgewrackte Altfahrzeuge und der Produktion von Neufahrzeugen hat Ihr Haus diese Größe geflissentlich „übersehen“, so als ob alte Pkws einfach mal verschwänden und neue ebenfalls energie- und schadstoffneutral durchs Ozonloch auf die Erde fielen.

Und vielleicht denken Sie auch einmal darüber nach, woher die Bürger das Geld zur Bezahlung Ihrer Verpackungskunst nehmen sollen. Und darüber, wie widersinnig es ist, einen Altbau wie den unsrigen mit einer vermutlichen Restbestandsdauer von vielleicht 45 Jahren wie von Ihnen avisiert bis 2050 (Restbestandsdauer dann noch sechs Jahre) mit immensem Kapitalaufwand rechtzeitig zum Abriss in eine entsorgungspflichtige Röttgenhaus-BASF-Kunststoffhalde zu verwandeln. Falls Ihnen tatsächlich etwas umweltpolitisch noch Kontraproduktiveres einfallen sollte, lassen Sie es mich bitte wissen.

Und: Wer von der zur Miete wohnenden Mehrheit der deutschen Bevölkerung soll denn die nach Ihren Planungen anfallenden Mieten bezahlen können? Und wer begleicht diese Mieten für die entstandenen und entstehenden Hartz IV-Dynastien, die finanziell meist klammen heutigen Rentner und die zu großen Teilen hilflos der Altersarmut entgegen segelnden künftigen Ruheständler, die Studenten und das die Arbeitsmarktstatistik so wundersam sanierende Heer von Niedrigstlohn-Empfängern, Leih- und Kurzarbeitern?

Schließlich: Was ist mit Opa und Oma, die ihr Häuschen endlich, endlich abbezahlt haben und nun von ihrer sauer erarbeiteten kargen Rente ihren Lebensabend genießen wollen? Was ist mit all denen, die die Regierung gebetsmühlenartig zu mehr Eigenverantwortung bei der Altersvorsorge aufruft? Meinen Sie, dass es sich voll gedämmt angenehmer verhungert?

Und aus welchem Grunde bitte sollen aus wunderschönen Altbauten, die jedes gewachsene architektonische Stadtbild bereichern, jetzt uniforme (Dämm-)Plattenbausiedlungen werden? Lassen Sie mich auch das bitte wissen.

Apropos wissen: Ich weiß ja nicht, was Sie hauptberuflich machen. Aber ich möchte höflichst anregen, ob Sie das nicht evtl. ein wenig reduzieren und ihre persönliche Energieeffizienz zumindest teilweise in Richtung einer durchdachten Umweltpolitik umlenken könnten. Dieser Bereich scheint mir in Ihrem Hause schon richtig gut isoliert zu sein.

Mit freundlichen Grüßen
Axel Retz

PS  Ich erwarte auf dieses Schreiben gerne eine Antwort, vor allem aber eine sinnvolle Umweltpolitik, die es für einen halbwegs aufgeklärten Wähler nachvollziehbar macht, wie Ihr Haus ausgerechnet zu der Bezeichnung Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit kam.


Für die Sanierung eines 1970 und damit vor dem Erlass des ersten Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) 1976 errichtetes Gebäude von 120 qm Wohnfläche, das hat der Verband der Haus-, Wohnungs- und Grundstückseigentümer berechnet, belaufen sich die Kosten der vom Umweltministerium bis 2050 angepeilten flächendeckenden Umrüstung aller Gebäude auf „Nullenerige“-Häuser auf ca. 100.000 Euro.

Wer in den letzten Jahren Modernisierungsmaßnahmen nach heutigem EnEG vorgenommen hat oder das in den kommenden Jahren tut, schaut noch viel tiefer in die Röhre. Und denen, die der unbändigen Sanierungswut des Bundesministeriums einfach nicht Folge leisten wollen, drohen - wie den Medien zu entnehmen ist - drastische Strafsteuern.

BASF als weltgrößtes Chemieunternehmen ist auch einer der bedeutendsten Hersteller von Dämmstoffen wie u. a. des dort schon 1949 entwickelten Styropors (Polystyrol). Und wenn Sie heute im Baumarkt ratlos vor den verschiedenen Dämmsystemen stehen oder Ihr Handwerksmeister Ihnen Vor- und Nachteile der unterschiedlichsten Dämmstoffe erklärt: Fast immer können Sie davon ausgehen, dass hinter all den verschiedenen Namen ein und der gleiche Hersteller steht: BASF.

Sollte das Bundesumweltministerium seine aberwitzigen Pläne tatsächlich durchsetzen, sind lang laufende Optionsscheine oder open end-Zertifikate auf das Unternehmen eine der vermutlich besten Anlageempfehlungen, die Ihnen in Ihrem Leben über den Weg laufen werden.

Mit besten Grüßen
Axel Retz

© 16. Sept. 2010
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