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Retrograde Hellsichtigkeit

Kapitalschutz bzw. eine sichere Geldanlage beginnt immer auf der Risikoseite, erst danach auf der Renditeseite. Und dazu bedarf es vor allem einer nüchternen Bestandsaufnahme der Wirklichkeit. Was viele Analysten offensichtlich nicht können und viele Anleger nicht wollen. Aber wollen sollten!

Als ich im April 2008 für die Finanzmärkte „Alarmstufe Rot“ ausrief, warf man mir vor, dass meine Kommentare „von mal zu mal an Dramatik zunehmen.“ Und (inkl. des Fehlers): „Herr Retz, damit unterbieten Sie unter Ihr eigenes Niveau!“

Natürlich nahmen meine Kolumnen damals von „Mal zu Mal“ an Dramatik zu (sie mussten es ja, wenn ich nichts unter den Teppich kehren wollte), während sich die Kommentare der Notenbanken, der politisch Verantwortlichen und der Masse der Analysten durch immer bemühter wirkende Beschwichtigungs- und Durchhalteparolen auszeichneten. Heute wissen wir, welchen Weg die Entwicklung genommen hat. Sicherlich:

Jeder kann sich irren, gerade bei so komplexen Themen wie der Wirtschaftsentwicklung. Erst recht, wenn das zur Verfügung stehende Datenmaterial manipuliert wird. Dennoch gebe ich unumwunden zu, dass es mich ärgert, wenn meine damaligen Kritiker heute so tun, als ob sie es gewesen wären, die damals das Desaster prognostiziert und dann auch noch daran verdient hätten. Als retrograde Hellsichtigkeit bezeichne ich so etwas gerne.

Dieser keineswegs seltenen Begabung werden die Damen und Herren auch in den kommenden Monaten und Jahren bedürfen. Denn die von mir in besagtem Beitrag vor knapp zwei Jahren skizzierten Szenarien eines Staatsbankrotts, einer Währungsreform und dem Übergang in erst eine deflationäre Depression und dann eine Hyperinflation sind mittlerweile zwar von vermeintlicher Panikmache zum Tagesgespräch aufgeklärter Zeitgenossen geworden, werden aber durch schnellwüchsige, in alle Gesellschaftsschichten hinein metastasierende Verdrängungsmechanismen überwuchert.

Erschwert wird eine ernst zu nehmende und zweifellos notwendige Diskussion der düsteren Zukunftsperspektiven durch den Umstand, dass sich ihrer insbesondere viele Verschwörungstheoretiker, notorische Untergangspropheten und generelle Elitenhasser angenommen haben, die zumeist wenig bis nichts zur Versachlichung der Thematik beitragen geschweige denn sinnvolle Handlungskonzepte vorweisen können.

Erschwert wird die Diskussion aber auch dadurch, dass sich kaum jemand traut, den Anlegern einmal die Flausen aus  auszustreiben. Bis jetzt ist das von mir vor zwei Jahren skizzierte, „unglaubliche“ Szenario recht genau eingetreten, wenn auch nicht so rasch, wie von mir damals erwartet. Spult sich das Geschehen weiter entlang meiner Erwartungen ab, wird es in den kommenden Jahren vordergründig gar nicht darum gehen, möglichst viel zu gewinnen, sondern möglichst wenig zu verlieren. Und das dürfte schwierig genug werden.

Das „beste“ Konzept hierzu werden uns in ein paar Jahren wieder die retrograd Hellsichtigen präsentieren. Bis dahin geht es für mich darum, mir weiterhin den Kopf frei zu halten für einen gesunden, im Rahmen des Möglichen unabhängigen Menschenverstand und reichlich freudvolle Leidenschaft für den Finanzmarkt.

Hallo Wirtschaftskrise: Hier bin ich!

Mit besten Grüßen
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de
Und hat die Benchmarks Dax, Dow Jones und DJ E. Stoxx 50 im Zeitraum 2008/2009 seit Erscheinen seiner Briefe deutlich outperformt:

Eine Anlage im Dax erzielte in diesem Zeitraum ein Minus von 25,96 Prozent, während private profits ein Plus von 36,62 Prozent erwirtschaftete und das defensive Vermögenssicherungsdepot des Kapitalschutz-Briefs absolut jede andere traditionelle Art der Altersvorsorge seit acht Jahren weit in den Schatten stellt und damit die „Buy and hold“-Strategie um einige Hundert Prozent geschlagen hat.


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