Private Profits
Kolumnen zurück zur Übersicht

Bedschala

Liebe Leserinnen und Leser,

sollten Sie in den kommenden Wochen oder Monaten Mutter oder Vater eines Kindes zu werden gedenken, stehen Sie unvermittelt vor der Herausforderung einer angemessenen Namensfindung.

Während sich beim Buben ein mannhaftes Achdusch-Reck anbietet, das mit seinem fast schon slawischen Anklang sowohl Durchsetzungsvermögen als auch eine sportive kosmopolitische Offenheit vermittelt, wird es bei Nachwuchs mit Doppel-X-Chromosomensatz zugegebenermaßen etwas diffiziler.

Neben modernen Namenskompositionen wie Alme Angelina, Seline Nell oder auch Pipe-Line wäre hier vielleicht über das schlichte Bedschala nachzudenken, das Ihrer Tochter im denglischsprachigen Raum schon in der „Kita“ den Ruf voraus eilen lassen wird, tief im aufstrebenden Bildungsbürgertum verwurzelt zu sein.

Dass endlich Bewegung in die Namenslandschaft kommt, ist nur zu begrüßen. So denkt Bundesarbeitsministerin (Ursula Gertrud) von der Leyen laut darüber nach, den negativ besetzten Begriff Hartz-IV abzuschaffen und diesen Arbeitsmarktgesetzen einen neuen Namen zu verleyen.

Als in dieser Hinsicht lernfähig erweist sich auch die Citibank, die sich trotz ihres Migrationshintergrundes ganz in die bewährte deutsche Tradition der manipulativen Wortschöpfung stellt und seit heute Targo-Bank heißt. Die Motivation für diese irgendwie auch kafkaeske Verwandlung ist auch hier ein negativer Touch des alten Namens, hatten die Citibanker ihren Kunden doch in großem Umfang „sichere“ Lehman-Zertifikate verhökert.

„Ein neuer Name empfiehlt sich immer dann, wenn man etwas Altes ausradieren will und Kunden etwas Neues nahe bringen möchte“, hören wir dazu von der namensgebenden Unternehmensberatung Success Identity, der wir auch so auto-mobile Namen wie Vectra oder Smart zu verdanken haben.

Dass den verhartzten  und verkorksten Arbeitsmarktgesetzen mit einer neuen Begrifflichkeit herzlich wenig gedient ist, liegt auf der Hand. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Wenn Sie als hilfsbereiter Mensch einem zuverdienstwilligen Hartz-IV-Empfänger einen 400 Euro-Job verschaffen, zahlen Sie dafür inklusive der fälligen Steuern und Sozialabgaben 530 Euro.

Beim Hartz-IV-Empfänger selbst kommen davon jedoch lediglich 160 Euro an, der Rest versinkt in der Staatskasse, die damit locker den Hartz-IV-Regelsatz von derzeit 351 Euro vereinnahmt. Von Ihnen!

Diese Facette des Steuerzahlerausplünderungs-Beschleunigungsgesetzes hat das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Hartz-IV-Problematik leider nicht beleuchtet. Herr Westerwelle und übrigens auch alle seine Kontrahenten natürlich auch nicht. Denn man beharkt sich ja nur pro forma fürs verdummte Publikum.

Was für Zeiten, in die Ihre Bedschala da hinein geboren wird! Aber:

Mit Bedschala  rollen Sie Ihrer Tochter zumindest sprachlich den roten Teppich für ein Leben mit akademischen Weihen aus. Was die Kleine dann daraus einmal macht, liegt nicht zuletzt an dem Wertekostüm, das Sie ihr in den Jahren der Prägung und des Reifens vorleben und mit auf den Weg geben.

Glücklicherweise ist unsere Zeit so reich an glasklaren Beispielen davon, wie das eben nicht aussehen sollte. Beste Voraussetzungen für Ihre Bedschala!

Mit besten Grüßen,
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de
Und hat die Benchmarks Dax, Dow Jones und DJ E. Stoxx 50 im Zeitraum 2008/2009 seit Erscheinen seiner Briefe deutlich outperformt.

2009 wurde die Dynamik der Rallye unterschätzt, dafür wurden 2008 aber überproportionale Gewinne erzielt, während die Börsen in den Keller rauschten. Ein Szenario, das sich nach Überzeugung des Verfassers 2010  wiederholen wird.


Freitag, der 29. März 2024     © 2024 by www.private-profits.de