Deka-Dent
Mit seiner Dekadenz-Debatte war Herr Westerwelle keineswegs der Vorreiter, als der er sich heute ausgibt. Denn im Kapitalschutz-Brief hatte ich dieses Thema bereits einen Monat zuvor aufgegriffen, als ich schrieb:
„Deka-Dent wäre ein wunderschöner Name für eine Zahnpasta - gerade auch zu Beginn eines neuen, PISA-geprüften „Jahrzähnts“.
Leider ist das schöne Wort schon negativ besetzt und würde, was die Mundhöhle betrifft, wohl eher an einen Stall des Augias erinnern. Dennoch wird Deka-Dent bald in aller Munde sein.
Wenn Sie, während Sie Ihrem Tagesgeschäft nachgehen, plötzlich von dem eigenartigen Gefühl beschlichen werden, dass irgend etwas an ihrer rechten Gesäßtasche herum nestelt, genau dort, wo das Portemonnaie sitzt, daraufhin entschlossen nach hinten greifen und dort etwas klammes, Mehrfingeriges zu fassen bekommen, könnte es sich durchaus um die öffentliche Hand handeln.
Genau die Hand also, die gemäß Wahlversprechen Steuergeschenke zu verteilen gedenkt, ohne bis heute einzuräumen, dass es sich dabei um finanzielle Streubomben handelt, für deren Kosten ausgerechnet ihre Opfer aufkommen müssen. Das beispielsweise ist dekadent.“
Dass sich Hartz IV-Empfänger in der Regel nicht in spätrömischer Manier in Dampfbad-Nähe auf irgend welchen Liegen herum lümmeln und von spärlich bekleideten und in jeder Hinsicht dienstbaren jungen Damen mit Wein und Delikatessen versorgen lassen, ist Herrn Westerwelle zweifellos nicht bekannt gewesen.
IN DER PRÄZEDENZFALLE
Ein Mangel an Historischem kann sich immer als Fallstrick erweisen, da er häufig zu Verhaltensweisen führt, die bei nüchterner Würdigung der entsprechenden geschichtlichen Präzedenzfälle ganz anders ausgefallen wäre.
Jüngstes Beispiel hierfür: Die US-Notenbank, die am Freitag allen Ernstes den Diskontsatz angehoben hat, wenn auch nur minimal. Der zentrale Leitzins der Federal Reserve ist zwar die sgn. FED Funds Rate, aber die Erhöhung des Diskontsatzes dürfte den Zweck verfolgen, die Märkte expressis verbis auf eine verschärfte Gangart der Geldpolitik einzustimmen. Ein Warnschuss sozusagen – der sich allerdings auch als Salut des Untergangs erweisen könnte.
Denn beginnt eine Notenbank mit dem Wiedereinsammeln zuvor verteilten billigen Geldes, ohne dass die Konjunktur wirklich wieder rund läuft, tritt sie in die Fußstapfen Nietzsches, der schon im Zarathustra ausführte: „Was fällt, das soll man auch noch stoßen.“
Was mich am meisten verblüfft am Schritt der FED, ist, dass sie ihren eigenen Aufschwungparolen tatsächlich selbst Glauben zu schenken scheint.
1929 war es der zur Unzeit unternommene Versuch der Notenbank, den Überschuss an Krediten wieder einzufangen, der den Kollaps der Wirtschaft auslöste. 2010 hat (leider) beste Chancen, diese Übung zu wiederholen.
RIESENBLASE STAATSANLEIHEN
Welches ungeheure Maß an Realitätsverleugnung derzeit an den Börsen herrscht, zeigt sich am besten in den Rentenmärkten: Junk-Anleihen Griechenlands werden mehrfach überzeichnet, Festverzinsliche etwa der USA, Japans, Großbritanniens oder Deutschlands zu Renditen „in Kauf genommen“, die jeder Beschreibung spotten. Und:
Und bei einem steigenden Zinsniveau von Kursrisiken betroffen sind, was den meisten Marktteilnehmern offensichtlich abhanden gekommen zu sein scheint.
Nach unten geht mit den Leitzinsen so gut wie nichts mehr. Und angesichts des Schuldenexzesses nahezu aller Staatshaushalte ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Anleger höhere Risikoaufschläge verlangen werden.
Steigende Zinsen des einen Landes aber zwingen über kurz oder lang auch andere Länder, die Renditen anzuheben, um im Wettlauf um die Anlegergunst mithalten zu können.
Das Problem ist natürlich, dass steigende Zinsen die prekäre und auf äußerste Kante genähte Situation der schuldengeplagten Staatshaushalte erst recht in die Bredouille bringen.
Ich muss kein Prophet sein um vorauszusagen, dass die Rentenmärkte und die Rohstoffe in den kommenden Jahren mit einer gewissen „Unausweichlichkeit“ zu den sicheren Verlierern gehören werden. Wohin im Falle eines Zinsanstiegs das aus den Renten flüchtende Kapital fließen wird, dürfte die alles entscheidende Frage sein.
In die Aktienmärkte? Schwer vorstellbar, zumal eine Zinsversteifung die schon jetzt spürbaren Folgen der Kreditklemme für die Unternehmen noch verstärken wird.
Der Vorhang zum zweiten Akt der Wirtschaftskrise beginnt sich gerade zu öffnen. Und damit auch das nächste Zeitfenster für außergewöhnliche Gewinnchancen an den Finanzmärkten. Das Einzige, was Sie jetzt brauchen, ist ein wenig anlagebereites Kapital (wirklich nur ein wenig!) und eine Vision des Kommenden. Für Letzteres müssen Sie (fast) nur zwei und zwei zusammen zählen – und die Ohren vor den Sirenengesängen der Bullen abschotten können!
Beste Grüße!
Axel Retz
Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de
Und hat die Benchmarks Dax, Dow Jones und DJ E. Stoxx 50 im Zeitraum 2008/2009 seit Erscheinen seiner Briefe deutlich outperformt.
2009 wurde die Dynamik der Rallye unterschätzt, dafür wurden 2008 aber überproportionale Gewinne erzielt, während die Börsen in den Keller rauschten. Ein Szenario, das sich nach Überzeugung des Verfassers 2010 wiederholen wird. |