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Einsteins Erkenntnis

„Die Probleme, die es in der Welt gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, die sie erzeugt hat.“ Meinte Albert Einstein zur Weltwirtschaftskrise 1929. Und der Mann hatte Lebenserfahrung. Denn er sagte auch: „Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigeren Dingen, z. B. der Relativitätstheorie.“

Und er wusste: „Gott würfelt nicht.“

Zum Auftakt eines neuen Jahres ausgerechnet eine gedankliche Hängematte zwischen Einstein, einem angestaubten Text Alan Greenspans und noch älteren Zeilen Ludwig von Mises aufzuspannen, klingt weitaus weniger mitreißend als die dynamischen Aufschwungparolen der vom Markt seit März reanimierten Bullen. Bei genauerem Hinsehen geht es mir hier allerdings gar nicht um eine Hängematte, sondern um eine unmittelbar vor dem Schuss stehende Schleuder, die Sie sehen müssen:

Leser mit einem ausgeprägten, vielleicht seit dem Elternhaus gewachsenen Faible für historische Ignoranz oder eine Fixierung auf den zum Jahreswechsel gefassten Vorsatz, in diesem Jahr doch einmal den Versprechungen diverser Finanzverlage folgend aus 10.000 Euro eine Million Euro zu zaubern, sollten hier „einen Break machen“ nicht weiter lesen und statt dessen ihre HighTech-Infosysteme einschalten, um wenn schon nicht online, so doch zumindest up to date zu sein und sich weiterhin so zu fühlen, als ob sie so etwas wie einen Wissensvorsprung hätten, der sie nur so lange zum permanenten Nichtsverpasser werden lässt, wie sie den lückenlosen Datenstrom nicht unterbrechen.

NUR FÜR ALLE ANDEREN

Für alle Anderen oute ich mich heute als Verkuppler zweier Zitate, die ohne mein Zutun vielleicht niemals zueinander gefunden hätten, wiewohl sie nur zusammen das sind, was sie sein können – nämlich der Wegweiser für das neue Jahr und vermutlich auch noch ein Weilchen darüber hinaus. Dass sie zufälligerweise auch noch an Skylla und Charybdis erinnern, ist mehr als ein beredter Zufall.

Zitat Nummer eins:

„Der Überschuss an Krediten, den die Nationalbank von Japan und die FED in die Wirtschaft gepumpt hatten, sprang auf den Aktienmarkt über, was einen phantastischen spekulativen Boom auslöste. Verspätet wurde von den Vertretern der Federal Reserve versucht, den Liquiditätsüberhang wieder abzuschöpfen, und schließlich gelang es auch, den Boom zu stoppen. Aber es war zu spät. 1929 war das spekulative Ungleichgewicht so groß geworden, dass die Bemühungen der Notenbank einen starken Personalabbau in der Wirtschaft und eine erhebliche Eintrübung des Geschäftsklimas auslösten. Das Ergebnis war eine kollabierende US-Konjunktur, Die Weltwirtschaft stürzte in die große Depression der 30er Jahre.“

Verfasst hat Alan Greenspan dieses Zitat im Rahmen des Aufsatzes „Gold and Economic Freedom“, der 1966 in The Objectivist erschien und sich u. a. mit den Ursachen der Großen Depression zu Beginn des letzten Jahrhunderts auseinander setzte.

Sollten Sie in Greenspans Analyse mehr als eine nur „gewisse“ Übereinstimmung mit der heutigen Situation erkennen, liegen Sie genau richtig. Allerdings wäre es eine schiere Verniedlichung, heute lediglich von einem „Überschuss“ an Krediten zu sprechen, den die Notenbanken in die Märkte gepumpt haben.

Damals wie heute, das lässt sich festhalten, kamen die von den Notenbanken in die Wirtschaft geschleusten Mittel offensichtlich nicht am geplanten Bestimmungsort, nämlich der Kreditvergabe für Unternehmen und private Schuldner an, sondern flossen stattdessen in die Finanzmärkte, wo sie den beschriebenen „spekulativen Boom“ auslösten.

Entgegen aller Lippenbekenntnisse dürfte die FED heute allerdings noch weit davon entfernt sein, den von ihr geschaffenen Liquiditätsüberhang wieder abzuschöpfen. Denn die am Freitag veröffentlichten Dezember- Arbeitsmarktdaten fielen einfach zu ernüchternd aus – und dass trotz all der zahllosen Schönheitskorrekturen, die man dieser Statistik in den letzten Jahren spendiert hat. D.h.:

Der 1929 durch die sich einsetzende restriktivere Geldpolitik der US- Notenbank ausgelöste Arbeitsplatzabbau hat heute bereits während der Phase exzessiver Liquiditätsversorgung eingesetzt: Seit Frühjahr 2007 hat die FED den Leitzins von 5,25 Prozent auf das historische Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt; im gleichen Zeitraum explodierte die Arbeitslosenquote von 4,40 Prozent auf heute 10,0 Prozent.

So zumindest nach den offiziellen Zahlen. Nach Berechnungen der unabhängigen Analysten von www.shadowstats.com liegt sie sogar bei über 20 Prozent – und damit übrigens fast genau auf dem aktuellen Niveau Spaniens, wie die europäische Statistikbehörde EUROSTAT am Freitag mitteilte.

Über die Gretchenfrage, was denn wohl passieren wird, wenn die Notenbank jetzt tatsächlich den Geldhahn zuzudrehen beginnt, mag von den heutigen Aufschwungverkündern eigentlich niemand so recht nachdenken. Als Anleger aber sollten Sie das tun und sich dabei an Greenspans Zitat orientieren, das offenkundig keinem der Verantwortungsträger mehr präsent ist.

Damit zu Zitat zwei:

„Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion kommen soll oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems.“

Das schrieb der österreichische Nationalökonom Ludwig von Mises 1912 in seiner „Theorie des Geldes und der Umlaufmittel“. Und ich drucke dieses Zitat seit über einem Jahr in jeder Monatsausgabe meines „Kapitalschutz-Briefs“ ab, um meinen Lesern klar zu machen, mit dem Überdenken welches Entwicklungsszenarios sie sich einen mentalen Vorsprung vor ihren Zeitgenossen sichern können. Was ebenso wichtig ist wie eine konkrete, mit einem Lächeln auf den Lippen getroffene Vorsorge.

Und eine Strategie des profitablen Umgangs mit dem Krisenszenario. Denn die gibt es, da wir es ja mit historisch-psychologischen Prozessen zu tun haben, die sich heute – schon allein vom bisherigen Werdegang her – in ganz ähnlichen Bahnen bewegen dürften wie 1929 und in den Folgejahren.

Damit kommt Einsteins Eingangszitat wieder ins Spiel: „Die Probleme, die es in der Welt gibt, sind nicht mit der gleichen Denkweise zu lösen, die sie erzeugt hat.“ Kreditexpansion war das unausgesprochene, von Ben

Bernanke aufgegriffene Credo und der rote Faden der gesamten Greenspan’schen Geldpolitik, die jede potentiell wachstumswidrige Entwicklung mit beständig größeren Liquiditätsinjektionen überdeckt hat, einen Boom durch den anderen ablöste, eine spekulative Blase durch die nächste.

Krisen innerhalb des Finanzsystems ließen sich mit dieser sich per Zins und Zinseszins zwangsläufig verselbständigenden Strategie leidlich gut unter Kontrolle halten, verursachten aber ebenso unausweichlich eine Krise des Systems selbst, die sich eben nicht durch das Festhalten an der die Probleme erzeugenden Denkweise lösen lässt, also eine Abkehr von der exzessiven Kreditexpansion erfordern würde.

Dass die Politik der westlichen Staaten heute genau das Gegenteil der von Ludwig von Mises als Rettung skizzierten „freiwilligen Aufgabe der Kreditexpansion“ betreibt, bedarf wohl kaum weiterer Erörterungen: Die Verantwortlichen bekämpfen die Probleme ganz genau mit der Denkweise, die sie erzeugt hat, haben bei der Kreditexpansion/Geldschöpfung mittlerweile aber jede Zurückhaltung aufgegeben.

Damit dürfte das Kommende wohl in der von Herrn von Mises beschriebenen finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems zu suchen sein. Depression, Hyperinflation und Währungsreform lauten die Eckpfeiler dieses Wegs, den ich im August 2007 erstmals beschrieb, um mit selbst von geneigten Lesern Schimpf und Spott einzuhandeln.

2012 oder im Frühjahr 2013, das ist mir gleichermaßen Überzeugung wie Vision, werde ich von genau den gleichen Schimpfern und Spöttern angefeindet werden, irrationalen Optimismus zu verbreiten, wo die Welt doch unrettbar am Rand des Untergangs steht.

ZWEI DINGE NOCH:

In der kommenden Kolumne werde ich Ihnen ganz konkret sagen, was Sie m. E. außerhalb des Finanzbereichs jetzt tun sollten.

Und ich werde auf meiner Webseite einen neuen Bereich eröffnen, in dem Sie ein Buch bei seiner Entstehung verfolgen können. Ein Buch, das einen Zeitraum von zehn Jahren abdecken und in dem kommentiert sein wird, was in diesem Zeitraum aus 1.000 Euro werden kann. Inklusive aller Trades und Überlegungen dazu.

Sie wohnen hier einem unspektakulären Start bei. Das Ziel des Vorhabens ist flott umrissen: Ich will alles schlagen, was sich an Banken, Fonds, Lebensversi-cherungen etc. am Markt herum treibt. Und alle „Profis“, die bis dahin eine belegbare Performance vorweisen und in den kommenden Jahren nicht einfach vom Markt hinweg gefegt werden.

Beste Grüße! Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de Und hat die Benchmarks Dax, Dow Jones und DJ E. Stoxx 50 im Zeitraum 2008/2009 seit Erscheinen seiner Briefe deutlich outperformt. 2009 wurde die Dynamik der Rallye unterschätzt, dafür wurden 2008 aber überproportionale Gewinne erzielt, während die Börsen in den Keller rauschten. Ein Szenario, das sich nach Überzeugung des Verfassers 2010 wiederholen wird.


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