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TEUFEL und BEELZEBUB!

Zu einer Zeit, als Ökonomen noch etwas von Ökonomie verstanden und neben Bankern und Unternehmern auch der gemeine Bürger etwas zu begreifen glaubte vom Wesen des Geldes und von so altmodischen Tugenden wie Verantwortung, Anstand und Rechtschaffenheit, da gab es im alten Österreich mit Ludwig von Mises einmal einen Wirtschaftswissenschaftler, dem zumindest eine wahre Erkenntnis gelang. Denn er meinte:

„Es gibt keinen Weg, den finalen Kollaps eines Booms durch Kreditexpansion zu vermeiden. Die Frage ist nur, ob die Krise durch freiwillige Aufgabe der Kreditexpansion oder später zusammen mit einer finalen und totalen Katastrophe des Währungssystems kommen soll.“

Während der vergangenen Monate genügte selbst ein nur sehr flüchtiger Blick in die Medien, um zu erkennen, für welchen der beiden Wege sich die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen entschieden haben: Für den Weg der exzessivsten Kreditexpansion aller Zeiten. Auf einen simplen Nenner gebracht: Durch zu viel leichtes Geld verursachte Probleme sollen durch ein exponentielles Vielfaches noch viel leichteren Geldes „gelöst“ werden.

In meinem Report „Auswege aus der finanziellen Apokalypse“ schrieb ich bereits im Mai 2003:

„Neue Kredite werden vergeben, um alte zu tilgen. Diese private, unternehmerische und staatliche „Defizitfinanzierung“ macht durchaus Sinn, wenn die laufenden Einnahmen nur kurzfristig hinter den Ausgaben zurückbleiben. Verselbständigt sich das „deficit spending“ jedoch, ohne dass seine Ursachen eingedämmt werden, stülpt es einen größeren Kredit über einen kleineren, Zinsverpflichtung auf Zinsverpflichtung.

In Zeiten fallender Zinsen und einer anhaltenden Bereitschaft der Gläubiger zur Kreditvergabe „schmiert sich“ dieses System quasi von selbst, ohne dass der Mehrzahl der Beteiligten das entstehende Risiko bewusst wird.

Später führt eine derartige Struktur zu einem Ergebnis, dessen prekären Zustand sowohl die Gläubiger als auch die Schuldner erkennen. Beide Seiten haben jedoch keine Chance zum kompletten Ausstieg aus dem Kreislauf der Kreditvergabe, da dieser Ausstieg den umgehenden Zusammenbruch des Kreislaufs zur Folge hätte und damit auch ihr eigenes wirtschaftliches Überleben in Frage stellen würde.

Realistischerweise muss gefolgert werden, dass es wenig wahrscheinlich ist, dass ausgerechnet diejenigen Beteiligten, die die Systemkrise sehenden Auges provoziert haben und ihren Auswirkungen hilflos gegenüberstehen, nun in der Lage sein könnten, eine Lösung des Problems zu bewerkstelligen!“

Im gleichen Report schrieb ich auch: „Zwar verdecken die Aktienhausse und die teilweise kriminellen Bilanzmanipulationen die tatsächliche Gewinnsituation der Unternehmen und die verschlechterte finanzielle Situation der USA, ad infinitum lassen sich die aufgelaufenen Ungleichgewichte aber weder durch (fremdfinanzierte) militärische „Erfolge“ noch durch gefälschte Unternehmensbilanzen kaschieren, was den immer noch bestehenden Nimbus des Greenback als Weltleitwährung stützt, letztlich aber nicht verhindern kann, dass sich die monetären Machtzentren verschieben werden.Was die Kreditexpansion betrifft: Heute braucht es ja nicht einmal die Notenpresse: Um aus dem Nichts Billionen neuer Dollars entstehen zu lassen, genügt ein Mausklick.
Heraus zu finden, warum die Anleger den virtuellen Währungen selbst sogar vor dem Hintergrund nahe der Nulllinie notierender Renditen für Staatsanleihen und der Rekordverschuldung immer noch über den Weg trauen, wird einmal eine reizvolle Aufgabe für begabte Historiker sein.

Risikoreiche Nullrenditen von Staatsanleihen, deren Kurs nach allen Börsenregeln nur noch eine Richtung kennen kann (die nach unten), als „sicheren Hafen“ zu betrachten, grenzt an ein medizinisch behandlungsbedürftiges Phänomen.

Der US-Dollar, der sich nach der Abkopplung von der Golddeckung und dem gewieften Schachzug der Ölpreisbindung für die Welt unverzichtbar wurde, ist das immer noch. Aber hinter den Kulissen brodelt es bereits gewaltig: Ob „Amero“, „Globo“, die Sonderziehungsrechte (SDR) des IWF oder was auch immer: Die Karten werden neu gemischt, auch und gerade unter dem Druck Chinas und Russlands, die der Werthaltigkeit des Dollars mehr und mehr misstrauen.

Für alle Anlagen in Auslandswährungen sollte daher ab sofort zumindest Alarmstufe Gelb gelten. Für alle Anlagen im Euroraum selbst gilt es für jeden Anleger, persönlich abzuwägen, für wie hoch er das Risiko einer „über Nacht“ kommenden Währungsreform hält. Aktuell sieht ja nun einmal alles eher so aus, als ob die Weltwirtschaft ungeachtet aller Zinssenkungen und irrwitzigen Kapitalinjektionen immer noch sehr dicht an der Schwelle des Absturzes in eine deflationäre Abwärtsspirale stünde. So betrachtet, mutet der Goldpreis von immerhin wieder über 900 USD/$ ja fast erstaunlich an. Gold oder Silber in kleinen Mengen aber müssen Sie haben!

DIE TRENDWENDE?

Die in der Tat fulminanten Kurssteigerungen seit Anfang März locken nun fast täglich neue Bullen aufs Parkett. Deren Credo ist klar: Die neue Hausse läuft, und wer zu spät kommt, den bestraft die Börse.

Sehen Sie sich einfach einmal die epochale Baisse des Nikkei ab 1989 an. Oder den Einbruch des Dow Jones Euro Stoxx 50 von 2000 bis 2003. In beiden Fällen gab es inmitten der Baisse ähnlich deutliche bzw. noch heftigere Aufwärtsrallyes, bevor der Markt in den nächsten starken Rückwärtsschub einschwenkte.

Dass sich die chart- und markttechnischen Parameter der Märkte in den vergangenen drei Monaten deutlich verbessert haben, ist klar. Die Frage ist nur, in wie weit man den bereits entstandenen Kaufsignalen trauen kann. Denn die Umsätze, und das gilt rund um den Globus, waren in dieser Rallyephase ausgesprochen dünn. Was nun einmal gegen eine Trendwende und stattdessen für vom Markt erzwungene Short-Eindeckungen spricht.

Die von den Beteiligten vermutete Trendwende an den Aktienmärkten könnte sich sehr bald aber einem neuen Problem gegenüber sehen: Dass gerade institutionelle Anleger in Anbetracht der doch ganz erheblichen Kursgewinne seit März nun den Finger über der Verkaufstaste haben dürften, liegt auf der Hand.

Ein nach GAAP-Kriterien für die letzten vier Quartale im S&P500 jetzt berechnetes KGV von 125(!!!) , das bei nüchterner Betrachtungsweise einem gerade aus dem Ofen genommenen Soufflé entspricht, lässt natürlich auch 3,99 Prozent vermeintlich sicherer Rendite bei der jüngsten Auktion der zehnjährigen US-Bonds schon als reizvoll erscheinen.

Der Haken: Der schroffe Renditeanstieg der Staatsanleihen nicht nur in den USA wurde ja am Markt gegen die bei null/nahe null liegenden Leitzinsen der Notenbanken erzwungen. Das deutet auf zunehmendes Misstrauen der Anleger hin, die nun höhere Risikoprämien verlangen. Nur:

Zu bereits genannten 3,99 Prozent Rendite auf die zehnjährigen T-Bonds rechnet sich für die Anleger aktuell noch eine negative Teuerungsrate von 0,7 Prozent drauf, Letzteres von der Regierung verkauft als die Kaufkraft stärkender Segen, nicht etwa als Deflationsrisiko.

Wer sich einmal die Langfristcharts etwa des US-Immobilienmarktes, der extrem wichtigen Einzelhandelsumsätze, der Automobilverkäufe oder auch der Produzentenpreise ansieht, muss schon sehr voreingenommen sein, um aus ihnen das Risiko einer deflationären Rezession, vielleicht sogar Depression, hinweg zu diskutieren.

Und Kaufkraft hin oder her: Die für die US-Wirtschaft bekanntermaßen absolut ausschlaggebende private Nachfrage ist auf ein Mehrdekadentief gesunken, richtiger gesagt, abgestürzt, die Sparquote steigt, die Kreditnachfrage sinkt. Entschuldung statt Verschuldung steht nun auf der Agenda des kleinen Mannes, der in der Summe das Geschick der Weltwirtschaft der vergangenen Jahrzehnte bestimmt hat.

Dass sich das Ausland währenddessen permanent über die unbändige Konsumwut der Amerikaner mokierte, ist gleichermaßen absurd wie verlogen : Wer nur zu gerne in immer üppigerem Umfang Sinnvolles und Unsinniges in die Staaten exportieren konnte und davon prächtig profitierte, sollte mit Schuldzuweisungen vorsichtig sein. Das sollten auch diejenigen internationalen Finanzinstitute, die den USA ihren Kreditmüll meistbietend aus den Händen rissen und nun nach Staatshilfe schreien oder ihn via bad banks dem Steuerzahler aufs Auge drücken.

COUNTDOWN

Wenn die Aktienmärkte dem m. E. unabweisbaren Risiko einer deflationären Depression gegenüber heute mit einer in den Kursen bereits weitgehend eingepreisten Konjunkturbelebung die Stirn bieten, kann man das als mutig bezeichnen.

Man könnte es natürlich auch anders nennen. Denn was nach wie vor ganz und gar nicht verstanden bzw. verdrängt worden zu sein scheint, ist, dass wir es eben mit einer Krise des Systems selbst, und nicht mehr mit einer Krise innerhalb des Systems zu tun haben.

Damit das auch so bleibt, legen sich US-Notenbank und Finanzminister kräftig ins Zeug: Entgegen allen verfügbaren Daten (die ja ohnehin vor ihrer Veröffentlichung schon durch die „Maske“ mussten, machen Sie nun klare Hinweise auf einen konjunkturellen Aufschwung und sogar auf eine anstehende Inflation aus.

Das spricht für sehr viel unbändigen Frohsinn. Und ist ein Schlag ins Gesicht der von offizieller Seite her immer unverhohlener hollywoodisierten Wirklichkeit. Denn niemals zuvor seit Erhebung der US-Arbeitsmarktdaten waren so viele Amerikaner so lange arbeitslos wie heute, die Einzelhandelsumsätze sind trotz der auf ein 60 Jahrestief gefallenen Verbraucherpreis-Steigerungen regelrecht kollabiert, während die Automobilverkäufe ähnlich der europäischen Vorgaben durch Staatshilfen (=Steuergelder) kurzfristig künstlich gepusht werden. Ein böses, sich aller Erfahrung nach selbst verzehrendes System, an dessen Ende nur die die Gewinner sein werden, die sich frühzeitig aus ihm zurück ziehen.

Auf Sicht dürfte sich die von den Notenbanken bestrittene die Deflation noch beschleunigen. Eine gute Zeit m. E.., um einen evtl. „Überhang“ an Bargeld oder Cash in Form von Lebensversicherungen, Sparverträgen, Bausparverträgen etc. in Vermögen zu verwandeln, das man anfassen kann. Denn die von mit zuerst im Frühjahr 2008 avisierte „Endphase“ des derzeitigen Finanzsystems mit Hyperinflation und Währungsreform ist aus heutiger Sicht mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu erwarten. Leider.

Denn während sich Politik und Notenbanken über den Erfolg ihrer bisherigen, in die Billionen gehenden Rettungsaktionen, Kredite, Kreditzusagen und Bürgschaften selbst belügen, haben sie den Banken das klare Signal gegeben, in aller Ruhe wieder auf den Weg des Irrsinns und des Casino-Kapitalismus zurück kehren zu können. Dieses Signal wurde dort verstanden.

Und während die toxischen Wertpapiere in einer Art Taschenspielertrick in die wundersamen badbanks ausgelagert wurden und werden, wird in alter Manier wieder der Kampf um die maximale Rendite aufgenommen, die Neueinstellungen von „Investmentbankern“ zu großzügigsten Konditionen explodieren und die Boni sprudeln.

ANLEGER: WELCHE FINANZKRISE?

Und die Anleger? Wenn sie nicht reflexartig wieder in ihre Verhaltensmuster von vor der Finanzkrise zurück gefallen wären, könnten, richtiger gesagt müssten(!) sie den Lug und Trug erkennen, der sich hinter den offiziellen Wirtschaftsdaten und den pro forma-Quartalsbilanzen versteckt.

Aber sie sind wieder völlig von der Rolle. Denn ungeachtet all dessen akzeptieren sie heute beispielsweise für die 30 im Dow Jones gelisteten Aktien ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von knapp über 125, was deutlich über dem Sechsfachen des langjährigen Durchschnitts liegt.

Woher die in diesen Kursen eingepreisten Unternehmensgewinne kommen sollen, bleibt völlig im Dunkel. Denn die von vielen in der Versechsfachung des Baltic Dry Frachtindex gesehene Erholung der Weltwirtschaft geht nahezu ausschließlich auf die Vorratskäufe Chinas zurück, die nun weitestgehend abgeschlossen sind. Und:

„Versechsfachung“ seit dem Tief klingt zwar gut, übertüncht aber, dass der Baltic Dry immer noch um über 60 Prozent unter seinem letzten Hoch liegt.

Der Welthandel hat sich seit seinen Tiefs zwar ein klein wenig erholt, mehr aber eben auch nicht. Und die Nachfrage der privaten Verbraucher, in den USA bekanntermaßen für über 70 Prozent des BIP verantwortlich, hat einen Einbruch erlebt, der tatsächlich das heute zumeist inflationär verwendete Prädikat „inflationär“ verdient, während die tatsächliche

Arbeitslosenquote, berechnet durch die unabhängigen Analysten von www.shadowstats.com, verdächtig nahe an ihrem Stand aus Zeiten der Großen Depression liegt.

Die im März begonnene Rallye mag laufen, wohin sie will. Und in ihren Bann ziehen, wen sie will. Irgendwo wird sie enden. Und dann vermutlich in ein Kursdesaster einmünden, das beispiellos ist.

Das Ende des Abgesangs der Greenspan’schen Geldschöpfungsorgie, die den Teufel durch den Beelzebub ersetzte und den „natürlichen“ Zyklus“ von Auf- und Abschwung außer Kraft setzen wollte, erleben wir m. E. 2012.

Für viele Anleger werden sich in diesem Umfeld Situationen ergeben, in denen aus „ganz viel“ unendlich wenig werden wird. Und glücklicherweise auch umgekehrt, wenn Sie ein paar wichtige Regeln beachten, ein paar „Visionen“ haben und auch eine Tugend, die heute bisweilen in Vergessenheit geraten ist: Etwas Geduld.

Beste Grüße!
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de Und schrieb auch 2008 satte Gewinne, während die Aktienindizes rund um den Globus in den Keller rauschten!


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