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2009 – DIE AUSSICHTEN

Lässt man das auslaufende Jahr Revue passieren, scheint es ein Jahr unter der Regentschaft der Lüge, der Vertuschung, der Schönfärberei und der Inkompetenz gewesen zu sein. Auch und gerade im Börsenbereich. Zahllos sind die Börsendienste, die zu Jahresbeginn die große Hausse versprachen, dann die Frühjahrsrallye, gefolgt von der Sommerrallye, der US-Wahlrallye, der Jahresend- und der Abgeltungssteuerrallye. Nicht zu vergessen die beispiellose Hausse, die im Falle weiterer Leitzinssenkungen oder gar einem rückläufigen Ölpreis losbrechen sollte. Die Realität sah ein wenig anders aus:

Die weltweit wichtigsten Aktienindizes brachen um 30 bis 70 Prozent ein, begleitet vom immer lauter werdenden Haussegetöse der Optimisten, die wiederholt das Ende der Krise ausriefen, während die weltgrößten Banken, Automobilbauer, Versicherer und Hypothekenfinanzierer ins Wanken gerieten oder gar stürzten. Und das, während Japan und die USA ihre Leitzinsen bis auf null absenkten und der Ölpreis in weniger als sechs Monaten von 145 auf unter 35 Dollar pro Barrel einbrach. Warum das alles andere als positiv sein würde, habe ich bereits Ende letzten Jahres immer wieder beschrieben.

Die fassungslos machende Borniertheit, mit der Banker, Politiker und Wirtschaftsforschungsinstitute die Krise bis weit in den Sommer hinein entweder gar nicht wahrnahmen oder aber klein redeten, ist geradezu absurd. Noch absurder ist allerdings der Vorschlag des DIW und des bayerischen Wirtschaftsministers, sich „nicht auf den Treibsand von Wirtschaftsprognosen“ zu begeben bzw. derartige Prognosen erst einmal nicht mehr zu veröffentlichen.

Diese Idee wäre gut gewesen – noch im letzten Winter, im Frühjahr und im Sommer, als die „Experten“ immer noch vom Aufschwung und der Widerstandsfähigkeit der jeweils eigenen Volkswirtschaft träumten. (Auch) diese Prognosen waren es, die viele Verbraucher, Investoren, Unternehmer und Anleger entgegen der Faktenlage viel zu lange in falscher Sicherheit wiegten und zu Fehlentscheidungen beitrugen, die die Krise letztlich noch verschlimmerten.

TEUFEL UND BEELZEBUB

Die heute bis ins Monströse gesteigerte Praxis, die Auswirkungen der Wirtschaftskrise mit niemals zuvor da gewesenen Bergen neuen, billigen (in USA und Japan jetzt Nullzinspolitik) zu bekämpfen, erinnert an den Versuch, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben – zumal es ja gerade die über Jahre hinweg praktizierte Politik des viel zu billigen Geldes für nicht kreditwürdige Kreditnehmer war, die die Krise erst ausgelöst hat.

Und geradezu absurd ist es, wenn das geneigte Publikum heute anerkennend applaudiert, wenn ihm von politischer Seite versichert wird, dass es sich nicht um sein Geld zu sorgen brauche. Denn nüchtern betrachtet, sieht dieses Versprechen so aus: „Sorgt Euch nicht um Euer Geld, denn ihr haftet mit Eurem Geld dafür, dass Euer Geld nicht in Gefahr gerät.“

2008 – UND ES GING DOCH!

Dass 2008 das fraglos schlechteste Börsenjahr in der Geschichte jedes lebenden Marktteilnehmers war, steht wohl außer Frage. Blicke ich auf die letzten 12 Monate zurück, erfüllt mich das allerdings mit Freude. Und ich sage Ihnen auch, warum: Mein „Kapitalschutz-Brief“ gab bei 7.314 Dax-Punkten ein Verkaufssignal, die Trefferquote der Empfehlungen für die jeweils 30 Aktien aus Dax, TecDax und Dow Jones liegt bei 86 – 90 Prozent, eine Hypo Real Estate erhielt bei 46,30 Euro ein Verkaufssignal (Kurs aktuell 2,86 Euro), während Volkswagen bei 52,90 Euro zum Kauf empfohlen wurde (aktueller Kurs 260 Euro). Bei Conergy erfolgte das letzte Verkaufssignal bei 18,33 Euro, aktuell kostet die Aktie 1,00 Euro. Und bei General Motors kam das letzte Abwärtssignal bei 29,27 US$.

Wer es etwas spekulativer mochte und nach den Empfehlungen von „private profits“ handelte, schloss von 23 Trades 14 im Plus ab, wobei diese Gewinntrades ein durchschnittliches Plus von jeweils 53 Prozent erzielten, während die Minuspositionen im Schnitt einen Verlust von lediglich 15 Prozent aufwiesen.

Noch aggressiver eingestellte Trader, die den Empfehlungen des topicTrader folgten, erzielten eine bei den 56 abgeschlossenen Trade eine Trefferquote von 35 zu 21, wobei die prozentualen Zuwächse der Gewinntrades auch hier deutlich über den Verlusten der Minustrades lagen.

Bitte betrachten Sie das nicht als Werbung; Am Jahresende ist es einfach einmal an der Zeit, einen Kassensturz zu machen, erst recht, wenn es sich um ein Jahr handelt, das z. B. der Dax mit einem Minus von über 40 Prozent beendete, während sich MDax und TecDax mehr als halbierten, Shanghai und Moskau um 70 Prozent einbrachen. Dass viele da lieber einen ganz großen Bogen um eine ehrliche Erfolgsbilanz machen, ist nachvollziehbar. Dann aber sollten sie den Mund auch nicht gar so voll nehmen, wenn sie Gewinne in Jahren erzielt haben, in denen einfach alles stieg.

2009: ES KANN NUR NOCH BESSER WERDEN?Dass diejenigen, die ihren Lesern im laufenden Jahr immense Verluste beschert haben, nun bereits die nächste Rallye wittern, dürfte blanker (und verzweifelter) Zweckoptimismus sein. Denn die Faktenlage hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten in einem immer schärferen Tempo verschlechtert. Das spricht eher für eine bevorstehende Eskalation der Kursverluste inklusive einer bisher noch nicht zu beobachtenden „richtigen“ Panik. Einige Daten:

Der Baltic Dry Frachtraten-Index ist seit seinem im Mai erzielten Allzeithoch um 94 Prozent eingebrochen – der historisch schärfste Kollaps seit Berechnung dieses Index. Der Warenaustausch von Basisstoffen wie Eisenerz, Kohle etc. ist also geradezu dramatisch in die Knie gegangen.

Der CRB/Bridge-Rohstoffindex ist seit Anfang Juli um mehr als die Hälfte abgestürzt – so scharf wie niemals seit Erhebung des Index im Jahre 1956.

GM, Chrysler und Ford stehen am Rande der Pleite, Toyota meldete den ersten Verlust in der 70jährigen Unternehmensgeschichte.

Die japanische Industrieproduktion ist im November so stark eingebrochen wie niemals zuvor in der japanischen Wirtschaftsgeschichte.

Die vermeintlichen „Boom“-Börsen Bombay, Shanghai und Moskau sind in diesem Jahr um 55%, 9% und 70% in den Keller gerauscht.

Das Weihnachtsgeschäft in den USA endete in einem Desaster: Niemals zuvor seit Erfassung der Daten im Jahre 1969 fiel der Umsatzrückgang so dramatisch aus wie in diesem Jahr.

Das US-Verbrauchervertrauen befindet sich auf einem Nachkriegstief, der dramatische Verfall des Immobilienmarktes hat sich noch einmal beschleunigt.

Während die Notenbanken die Leitzinsen abgesenkt haben, hat sich die Kreditklemme weiter verschärft: Kredite sind seltener und teurer geworden.

Diese Liste ließe sich noch um einiges verlängern, was aber nicht nötig ist. Denn an den vorgestellten Daten dürfte deutlich geworden sein, dass wir es mit einer Vielzahl echter „Rekorde“ zu tun haben, die leider nicht positiv sind und zu allem Übel auch noch gemeinsam auftreten. Das heißt:

Die Einschätzung, dass die Aktienmärkte einen Boden gefunden haben, dürfte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als verfrüht erweisen.

DIE „ETWAS ANDERE“ KRISE

Die aktuelle Situation, die dank „Globalisierung“ in jeden Winkel der Weltwirtschaft hinein reicht, ist mit früheren Rezessionen, wie wir sie kennen, nicht vergleichbar. Oder anders: Die uns bekannten Rezessionen waren „Krisen“ innerhalb des Systems, die aktuelle Phase ist eine „Krise“ des Systems.

Ich gehe davon aus, dass die Akteure an den Aktienmärkten diese zusammenhänge 2009 zu verstehen beginnen werden – ebenso wie die Konsumenten, insbesondere in den USA. Für die Börsen bedeutet das, trotz der immer möglichen Chance von Aufwärtskorrekturen, weiteres, deutliches Abwärtspotential mit einer zunehmenden Gefahr von Panikverkäufen. Wobei Nach wie vor die Gefahr besteht, dass die sich wechselseitig verstärkenden Abwärtsspiralen von Immobilienmarkt, Kreditvergabe, Arbeitslosigkeit (bzw. der Angst davor), Konsum und Unternehmensgewinne dynamisch verstärken.

Und so würde es mich ganz und gar nicht wundern, wenn in den Medien zum Sommerbeginn nicht mehr von Rezession, sondern von Depression die Rede wäre.

Sollten wir uns eingedenk dieser Perspektiven vom Börsenparkett zurückziehen und die Hände in den Schoß legen? Ich meine: Ganz im Gegenteil. Wir werden starke Kursbewegungen sehen, also genau das, was wir für erfolgreiche Trades brauchen. So wie 2008. Und: Immerhin ist es dank der Staatsbürgschaften gelungen, das zuvor anwachsende „Emittentenrisiko“ abzufangen, was für Trades mit Derivaten wichtig ist.

Last but not least möchte ich zwei Sachverhalte unterstreichen:

Erstens: Gewinne lassen sich auch in fallenden Märkten erzielen. Das habe ich (s. o.) auch in diesem Jahr bewiesen. Und geht es 2009 weiter abwärts, sollten wir auch davon weiter profitieren können.
Zweitens: Die Aktienmärkte drehen nicht erst am Ende einer Rezession (oder Depression) nach oben ein, sondern bereits deutlich früher. Allerdings in der Regel erst in einem psychologischen Umfeld, in dem auch den letzten „Schnäppchenjägern“ die Freude an der Jagd vergangen ist. Und davon sind wir heute noch weit entfernt.

Beste Grüße!
Axel Retz

Der Verfasser ist Herausgeber der Seite www.private-profits.de © Axel Retz, 29.12.2008


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