Eisberg voraus!
nein, was sind sie auf einmal alle überrascht, wie schnell sich die im August 2007 erstmals zutage getretene Immobilienkrise zum schlimmsten Bedrohungsszenario für die Finanzmärkte seit 1929 ausgewachsen hat. Und so beginnen die meisten der heutigen Marktkommentare auch mit einem „Niemand konnte ahnen“ oder einem „Es war nicht absehbar“...
Das aber ist schlichtweg falsch. Werfen wir einfach einmal einen Blick auf die Titelseiten meines Kapitalschutz-Brief von vor einem Jahr. Ich will das nicht überstrapazieren und möchte nur drei Zitate bringen:
29.09.2007: Niemand weiß, ob sich die großen Finanzinstitute auf Titanic-Kurs befinden, nicht einmal die Banken selbst. Dass hier eine Lunte brennt, steht außer Frage. Bis jetzt gehen die Anleger aber offensichtlich davon aus, dass die Notenbanken die mit einer Flut von frischer Liquidität ablöschen können. Nur: Was nutzt dieses Geld und was nutzen niedrigere Leitzinsen, wenn die Kreditvergabe und mit ihr Konsum und Konjunktur ins Stocken geraten?
26.10.2007: Nach 20 Jahren Greenspan‘scher Geldpolitik bleibt den Verantwortlichen heute schlichtweg gar nichts anderes mehr übrig, als alles zu versuchen, ein Abrutschen der Wall Street zu verhindern. Denn die Folgen wären eine Katastrophe. Auf Dauer können diese Bemühungen aber nicht funktionieren!
05.11.2007: Noch geben sich die Anleger an den Aktienmärkten der Illusion hin, dass die wirtschaftlichen Newcomer China, Indien und Co eine konjunkturelle Abwärtsbewegung in den USA ausbalancieren können. Angesichts der Bedeutung Amerikas für den weltweiten Konsum erscheint das m. E. allerdings recht blauäugig.
Wenn Sie das heute lesen, werden Sie den Eindruck haben, die gestrige Tageszeitung vor Augen zu haben. Das zeigt, wie klar bereits damals abzusehen war, aus welchen fundamentalen Ausgangslagen welche Risiken entstehen und wie sie sich auswirken könnten.
Dass ausgerechnet die Banken (aber auch die Politiker), die von all dem augenscheinlich nichts bemerkt haben, heute Sonntagsreden über die „Sicherheit“ unseres Geldes halten, verdient schon das Prädikat dreist. Und: Wenn alles so sicher ist, warum schreien die Banken dann auf einmal lauthals nach Hilfe aus dem Staatssäckel?
Ab Montag treten wir in die „heiße Phase“ des Desasters ein: Das herbei gesehnte 700 Milliarden-Dollar-Paket der US- Regierung ist beschlossen und auf den Weg gebracht. An der konjunkturellen Entwicklung (Rezession/Depression), an der Austrocknung der Kreditmärkte und vor allem am Vertrauensverlust der Menschen wird es nichts ändern können. Kapitalschutz (=Kapitalerhalt) muss damit m. E. jetzt erst recht eindeutig vor der Jagd auf Rendite stehen! Für die „Rendite“ fahren wir stur unsere Puts weiter!
In meiner letzten Kolumne schrieb ich: „Das Sahnestücken der Baisse kommt erst noch“. Natürlich gab es dazu wieder einige Zuschriften von Leuten, die die Weisheit mit dem Löffel gefressen haben und daher nun in den letzten Wochen zumindest intelligenten Stuhlgang hatten, während sie Verluste machten. Nur:
Dererlei Kommentare bekam ich bekam ich auch schon auf meine oben zitierten Beiträge des letzten Jahres hin. Calls wollten die Jungs kaufen, dann Calls verbilligen und noch einmal verbilligen. Die Hausse, dachten sie, ginge ewig.
Ein bisschen Kopf, etwas mehr Markttechnik, noch etwas mehr an Charts und im Hintergrund ein klein wenig Erfahrung aus 30 Jahren hätten sie vor dieser Fehleinschätzung bewahrt.
Am Freitag hat die Wall Street hat auf das zuvor als Rettungs-Evangelium gepriesene 700 Mrd. US-Dollar-Paket einem „One Day-Reversal reagiert. Schlimmer geht’s nimmer!
Ich bleibe dabei: Der Bär ist los. Und wir werden die Tiefs von 2003 wiedersehen. Sehr viel schneller, als die meisten Bullen sich das träumen lassen!
Beste Grüße!
Axel Retz
Der Verfasser ist Herausgeber der Seite www.private-profits.de |