Prognosen – schlechter als ihr Ruf
Wirtschaftsweise, Wirtschaftsforschungsinstitute, Wirtschaftsexperten: Sie alle sagen uns immer wieder voraus, wo es denn künftig wohl so lang gehen wird.
Schaut man sich die Vergangenheit an – und ich meine durchaus einen statistisch sinnvoll langen Zeitraum – fällt auf, dass man diese Expertisen, so man Raucher ist, durchaus in kleinste Schnitzelchen schreddern, mit etwas Cognac oder Sherry versetzen und dann in aller Ruhe ins Pfeifchen stopfen kann.
Das Schöne: Man muss sie nicht einmal anzünden, sie verbrennen in der Regel von ganz allein, auch wenn sie dabei nicht mehr so viel Rauch machen wie bei ihrer Veröffentlichung.
„Die Experten zeigten sich überrascht, dass ...“, „Anders als von den Experten erwartet, ...“, „selbst Experten konnten nicht wissen, ...“, lauten dann zumeist die Abgesänge auf die falschen Berechnungen.
Ein alter Ohrwurm – schon lange tot
Zum echten Ohrwurm hat sich in den letzten Jahren Prognose zum Ölpreis entwickelt: Als er über 25 US-Dollar pro Fass stieg, offenbarten uns die Weisen, dass wir zwar an der Klippe des Abgrunds stehen, dieser hohe Preis aber nur von kurzer Dauer sein werde.
Mit der Zwischengeschichte will ich Sie nicht aufhalten. Heute, der Ölpreis hatte sich zwischenzeitlich fast vervierfacht (also um 300 Prozent zugelegt), erzählen sie uns immer noch die gleichen Gute-Nacht-Geschichten. Nur von kurzer Dauer ... und so.
Was haben diese Leute eigentlich studiert? VWL = Volkswirtschaftslehre oder VVDL = Volksverdummungs-Lehre?
Der sgn. kleine Mann auf der Straße, der jetzt nach den neuesten Zahlen der Nürnberger GfK sein Portemonnaie weniger gerne öffnet, hat vieles mehr verstanden als die „hochkarätigen“ Experten: Die Inflation steigt, die Reallöhne (also das kaufkraftrelevante Kapital) sinkt.
Sie fühlen das nur!
„Gefühlte Inflation“, halten die Experten nun dagegen. Was so in etwas heißt: Die vom Statistischen Bundesamt berechnete Teuerungsanstieg von 3% im Oktober fühlt sich nur so an wie 3%, obwohl sie im rechten Licht betrachtet doch lediglich 3% sind.
Leute, gebt Geld aus! Öl wird (wie seit Jahren) bald billiger und die Preise werden auch wieder sinken. Und überhaupt. Der Aufschwung ist ja da.
Blendet man diesen ganzen Müll einmal aus, stehen wir offensichtlich schlicht und ergreifend am Zenit einer ganz normalen Aufschwungphase, der in Euroland, gewiss aber in den USA, schon überschritten ist. Ein ganz normaler Konjunkturzyklus. Semester 1 in VWL.Was die „Experten“, denen ja ebenfalls alle Daten (und noch viel mehr als nur die schön geredeten) zum Konsumverhalten, den Industrieaufträgen, dem Immobilienmarkt (auch in Deutschland) und zum Verbrauchervertrauen und zur Teuerungsrate heute dazu bringt, in ihren Prognosen einen fortgesetzten Aufschwung zu prognostizieren, weiß ich nicht.
Aber ich weiß, dass sich die Experten in den kommenden Monaten wieder sehr oft „überrascht“ zeigen werden. Was sie nicht daran hindern wird, uns mitzuteilen, dass bald alles wieder billiger wird, der Ölpreis erst dann zur Bedrohung werden könnte, wenn er dauerhaft so hoch bleiben sollte etc. etc.
Ich selbst habe kein Wirtschaftsstudium hinter mir. Medizin und Psychologie. Und wenn etwas krank ist, dann sehe ich es. Ich meine nicht Ihren Nagelpilz, den Sie sehr kostengünstig mit Essigessenz behandeln statt mit herausgeschmissener Hunderter von Euro für irgendwelche wirkungslose Nagellacke.
Der Markt ist krank. Und hängt am Tropf der US-Leitzinsen bzw. überexpansiven Geldversorgung. Und damit genau dem Tropf, der ihn erst so krank hat werden lassen.
Beste Grüße
Axel Retz
Der Verfasser ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de
© Kolumne für www.ariva.de, www.finanztreff.de und www.zeitenwende.ch 30.11.2007 |