3 x MACHT NICHTS!
Liebe Leserinnen und Leser,
heute vor 20 Jahren schrieben wir, da verkünde ich nichts Überraschendes, ebenfalls der 19. Oktober. Damals war das ein Montag.
An diesem Tag ging die Wall Street in den dramatischsten Crash ihrer Geschichte über, der die Kurse in nur zwei Tagen um über 20 Prozent absacken ließ. Schon am Freitag zuvor war die US-Börse in heftige Turbulenzen geraten, nachdem der Markt zuvor fünf Jahre immer höher und höher gestiegen war. Der Hintergrund:
Der Dollar war auffallend schwach, die USA wollten die Zinsen weiter senken, im Euroraum hingegen roch es nach steigenden Leitzinsen. Der Ölpreis war, insbesondere wegen politisch-militärischer Scharmützel im Nahen Osten, kräftig gestiegen, die Zinsen für Unternehmens- und Konsumentenkredite ebenfalls.
Trotz all dessen hatte sich in den Köpfen der Anleger der Glaube festgesetzt, dass an den Aktienmärkten „auf ewig“ das schnelle, leichte Geld zu verdienen sei. Und die Anleger spekulierten so stark „auf Pump“ wie niemals zuvor. Bis jener 19. Oktober die Illusionen erst einmal durchkreuzte.
Wenn Sie die damalige Konstellation der Fundamentals einmal mit der heutigen vergleichen, werden Sie nicht umhin kommen zuzugestehen, dass sich die Märkte heute in der exakt gleichen Ausgangslage befinden, die allerdings durch einige andere Zutaten gewürzt werden:
Eine platzende Immobilien- und Kreditkrise hatte es damals nicht gegeben, die Inflations- und Wachstumszahlen wurden noch weit weniger „optimiert“ als heute, die Spekulation auf Kredit liegt heute fast acht mal so hoch wie damals, während US-Staatsanleihen mit einer Rendite von über neun Prozent noch eine Alternative zu den Aktienmärkten darstellten.
Heute wie damals herrschte die sonderbare Auffassung, dass die genannten, schlechten Wirtschaftsdaten vielleicht alles Mögliche beeinflussen könnten - nur nicht die Wirtschaft geschweige denn die Aktienmärkte. Wie originell!
MACHT NICHTS 1
Der Dollar, seit dem Abkommen von Bretton Woods Weltleitwährung, säuft ab. Anders als 1987 sieht es heute danach aus, als ob er diese Funktion verlieren könnte – erst recht, wenn Saudi-Arabien, Russland und der Iran ihre Ankündigungen wahr machen sollten, für ihr Öl erstmals wieder andere Währungen als den Dollar zu akzeptieren! MACHT NICHTS.
MACHT NICHTS 2
Der Ölpreis steigt (wichtig: aus anderen Gründen als der Nachfrage!) auf ein neues Allzeithoch und durchbrach erstmal die Schwelle von 90 US$/barrel. Als er bei 30 stand, ließen uns die „Experten“ wissen, dass dies a) nur eine kleine, kurzfristige Übertreibung sei und b) erst richtig gefährlich würde, falls sich der Ölpreis „dauerhaft“ oberhalb dieses Levels festsetzen sollte. Heute hat er sich gegenüber diesem „worst case“-Szenario verdreifacht: MACHT NICHTS.
MACHT NICHTS 3
Die mittlerweile zur generellen Kreditkrise angewachsene US-Immobilienkrise hat die Zinsen für Hypotheken-, Unternehmens- und Konsumentenkredite – wenn sie denn überhaupt noch gewährt werden – trotz(!) der deutlichen Leitzinssenkung der US-Notenbank deutlich steigen lassen. MACHT NICHTS.
Irgendwie „MACHT ALLES NICHTS“ mehr, so lange es sich bloß um wirtschaftsrelevante Daten handelt. Denn was um Himmels Willen sollten wirtschaftsrelevante Daten mit der Wirtschaft, der Konjunktur und den Börsen zu tun haben?
Dieses neue Credo – es ist verblüffend – wird tatsächlich geglaubt. Und ich bin mir sicher: In seinem Schlepptau laden all die „Big Player“ ihre Positionen bei denjenigen ab, die diesem Credo folgen. Denn die Umsatz-Indikatoren sowohl an der Wall Street als auch an den europ. Aktienmärkten signalisieren, dass der seit dem Augusttief laufende Aufwärtsschub, der Dow und S&P 500 auf neue Höchststände gehebelt hat, nicht mehr vom Volumen bestätigt wird.
Natürlich muss sich an den Börsen nicht alles 1 : 1 wiederholen, aber es kann. Sich hierbei am Datum des heutigen Tages festzubeißen, macht wohl wenig Sinn; wichtig ist es, die im Hintergrund ablaufenden Entwicklungen im Auge zu behalten und zu wissen, welche daraus folgenden Konsequenzen die höchste Wahrscheinlichkeit haben. Und dann mit dieser Wahrscheinlichkeit zu gehen, nicht gegen sie!
Beste Grüße!
Axel Retz
Der Autor ist Herausgeber der Webseite www.private-profits.de |